Aus Liebe zum Laufen

Aus Liebe zum Laufen

Sonntag, 21. Juni 2015

We are the Sun

,,Sorry, wartet ihr schon lange?", ich kletter auf die Rückbank von Julias kleinem Auto, ,,Nein, alles gut, wir haben noch ein Eis gegessen!" Klar was macht man auch sonst um 22 Uhr.
Ich schiebe meine Sporttasche neben mich und bemerke ein paar lange, dünne Finger in meinem Gesicht. Ich ertappe mich dabei wie ich erschrecke, als diese Finger anfangen zu sprechen ,,Hi, ich bin Nikki!" Ich schiele zum Beifahrersitz und sehe in das strahlende Gesicht eines jungen, rothaarigen Mannes.  
Es dauert nicht lange bis das Eis gebrochen ist. Nikki ist ein Läufer! Einer von der ganz schnellen Sorte. Er kommt aus Schottland und ist Sportlehrer. Außerdem hatte er Julia versprochen uns am morgigen Tag beim EVL-Halbmarathon in Düsseldorf zu begleiten, damit wir die 21,1 km unter zwei Stunden schaffen.
Und, das ist wohl das tollste, Nikki ist Asics Frontrunner. Ich habe mich schon im Voraus aufrichtig für die vielen Fragen beim ihm entschuldigt. Während Julia uns allen Pasta mit Gemüse und Tomatensauce zaubert unterhalten wir drei uns angeregt über die Frontrunners. So angeregt, dass wir die Zeit vergessen. Als wir bemerken wie spät es ist, legen wir schnell noch unsere Outfits für den Wettkampf zurecht, wünschen uns eine gute Nacht und schlüpfen unter die Decke. Wecker auf Fünf Uhr, Puh!
Vier Stunden später, wobei ich schwören könnte es waren nur vier Minuten, drehe ich mich in Julias 5-Meter-Boxspringbett zu ihr um und schiebe ein Auge nach dem anderen auf. Natürlich ist das Bett auf ihrer Seite schon perfekt gemacht und niemand liegt drin. Also schleppe ich mich aus dem Zimmer und folge dem warmen Duft von Brötchen in der Küche. ,,Möchtest du Kaffee? Ich mag morgens am liebsten Marmelade und Honig auf dem Brötchen, ist das ok für dich?" Man beachte das Zielfoto unten, ich verspreche euch, genau SO hat sie mich dabei angeschaut!
Ich bin begeistert, die kurze Nacht ist schnell vergessen. Nach dem Nikki sich dann auch mal vom Sofa lösen konnte, hauen wir uns die Bäuche voll und machen uns fertig für den Lauf. Kurze Zeit später sind wir auf der Autobahn auf dem Weg nach Düsseldorf. Nikki dreht die Musik auf und wir versuchen uns noch ein wenig zu entspannen und den Kopf frei zu bekommen. Mein zweiter Halbmarathon. Ein bisschen Herzrasen hab ich schon.
Julia hatte unsere Startunterlagen schon ein paar Tage vorher besorgt, deswegen können wir die Zeit bis zum Start damit verbringen, gefühlt 100 mal auf die Toilette zu gehen, weil wir so unfassbar aufgeregt sind. Als der Startschuss immer näher rückt, gehen wir ein letztes Mal zum Auto um unsere Jacken weg zu bringen. ,,Ich hab noch eine Kleinigkeit für euch", sagt Nikki und hält uns zwei blaue Sonnenbrillen hin. Jeder der Nikki kennt weiß, dass er bei jedem seiner Wettkämpfe eine grüne Sonnenbrille trägt, passend zu seinem immer grünen Lauf-Singlet.

Julia und ich freuen uns und scheren uns nicht eine Sekunde darum, dass die Sonne ja gar nicht scheint. Wen interessiert es ob wir was sehen können. Hauptsache wir sehen cool aus! 
Noch schnell auf das ,,geliebte" Dixi-Klo und dann ab in die Meute!
Meute ist untertrieben, sagen wir die ganze Welt hat sich versammelt um einer Apokalypse zu entkommen. 
Wir bekommen gar nicht mit, dass der Startschuss fällt, wir sind viel zu sehr damit beschäftigt einen Platz in der Menge zu finden. Wir drängen uns immer weiter rein. Allmählich kommt Bewegung in die Sache und ich muss aufpassen, dass ich Julia und Nikki nicht verliere. Wir traben los und nach 500 Metern schaut Nikki auf seine Uhr und verkündet stolz ,,Wir sind gut in die Zeit Ladies!" Ich grinse, ja er nimmt seinen Job als Pacemaker sehr ernst! . 
Die ersten fünf Kilometer laufen wir locker durch. An der Strecke stehen so viele Menschen, ich bin viel zu sehr beschäftigt mit gucken und jubeln. Ja ich weiß, ich soll laufen und nicht rumhampeln. Papa schimpft immer, dass mich das zu viel Zeit kostet. Aber mal ehrlich, das soll hier doch Spaß machen, oder? Und wer zwei Stunden für einen Halbmarathon braucht, der hat auch noch die ein oder andere Sekunde zum winken übrig!
Ich warte die ganze Zeit darauf, dass sich das Feld auseinander zieht, aber es sind so viele Leute auf der Strecke, dass man permanent von einem kleinen Pulk von Läufern umschlossen ist. Es wird ganz ruhig. Da ruft plötzlich jemand ,,Na los Prinzessin!" Dieser jemand ist in Julias Laufverein und zieht mit langen Schritten an uns vorbei. 
,,10 km unter einer Stunde, sehr gut Ladies! Julia, du sollst nicht gucken auf die Uhr!"
Während Nikki mit Julia schimpft, weil sie immer wieder auf die Uhr schaut, nutze ich die Gelegenheit und schiele heimlich auf meine. Die Zeit ist super, wenn wir so weiter machen, schaffen wir es locker unter 2 Stunden. 
Ich fühle mich noch erstaunlich gut. Ein Blick von Julia zeigt mir, sie auch.
 Zwischendurch organisiert uns unser Pacemaker an den Verpflegungsstationen etwas zu trinken. Das tut gut. Gummibärchen gibt es auch. Nikki genießt es sichtlich mal zwischen den vielen Läufern zu sein, statt vorne an der Spitze, wie er so schön sagt, weg zu ballern.
18 Kilometer sind geschafft. Wir drei sind richtig schön im Flow, da bemerkt Julia, dass uns bei Kilometer 19 noch ein gemeiner Berg erwartet. Also Pobacken zusammen kneifen und rauf da! Diese Steigung hat es ganz schön in sich. Puh! Als ich merke, dass alle sehr langsam joggen mache ich zwei große Schritte im Gehen. Doof von mir. Denn unserem Sportlehrer bleibt das nicht unbemerkt. ,,Heb die Füße!" Ja Chef! Hoch die Füße, rauf den Berg.
Oben angekommen, atmen wir erleichtert durch und stehen gleich vor einer Verpflegungsstation. Wir bleiben kurz stehen und trinken so viel wie wir nur können. Gestärkt laufen wir weiter. Nur noch zwei Kilometer und wir haben es geschafft! Wenn man schon 19 Kilometer hinter sich hat, kommen einem zwei wie ein Witz vor. Wir lassen uns einfach nur rollen und genießen die Stimmung, denn an der Strecke stehen nun auch wieder mehr Zuschauer die uns zujubeln. 
Die Meter fliegen unter uns hinweg. Hinter der nächsten Kurve ist das Ziel. Die letzten Meter gehen leicht bergab. Jemand ruft ,,Nikki, du Gentleman," und macht ein Foto. 
Nikki greift nach unseren Händen, reißt sie hoch und wir schweben strahlend vor Glück und Erleichterung über die Ziellinie.
2:03:33 h. 
Wir haben unser Ziel vielleicht nicht ganz erreicht, aber wir hatten eine Menge Spaß zusammen, hatten viel zu lachen und gelohnt hat es sich allemal! 
Wir fallen uns glücklich in die Arme. Geschafft!
Das wird nun mit einem kühlen Getränk und einer schönen Pommes gefeiert!

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